Swisscom Directories AG stand vor der Herausforderung bereits agile- mit klassisch organisierten Unternehmensteilen zu einem grossen Ganzen zusammen zu führen. Das Transformationsteam ging dabei einen etwas anderen Weg, nämlich der einer partizipativen agilen Transformation mit mehreren Grossgruppen- Events. Die Serie fand ihren Höhepunkt als die Mitarbeiter mittels Self-Selektion ihre eigene Teams bildeten. In dieser Serie von Blog Posts berichten wir über die Herausforderungen, unsere Erfahrungen und die Resultate unseres gemeinsamen Schaffens im Transformationsteam von Localsearch.
Ausgangslage
Mitte 2015 hatte localsearch (Swisscom Directories AG) nach der Übernahme von search.ch und den vorangegangenen Mergern mit LTV und E-Media eine sehr heterogene Kultur, Organisation und Systemlandschaft. Ökonomisch lief es so gut wie noch nie, jedoch auf der Innovationsseite machte sich die angehäufte fachliche, technische und organisatorische „Legacy“ mehr und mehr bemerkbar. Im Bereich Engineering wurde schon immer agil gearbeitet, man verfügte intern also bereits über das nötige Rüstzeug. Nun galt es einen Weg zu finden wie die postiven Askpekte dessen auf weitere Teile der Organisation übertragen und gleichzeitig die „Schuld" abgebaut werden konnte.
Initialzündung mit 3 Pilotteams
Ende 2015 wurde ein Pilot-Programm gestartet, wo ausgerichtet am Value Stream von localsearch die ersten drei x-funktionalen Pilot-Teams zusammengestellt wurden. Diese wurden anhand der benötigten Expertisen, aus allen nötigen Abteilungen zusammengezogen. Dadurch, dass nun alle Kompetenzen und Expertisen im Team vorhanden waren waren sehr schnell signifikante Erfolge für die User, Kunden bzw. das Management spürbar. Unter anderem ist es Innovationen der drei Pilot-Teams zu verdanken, dass localsearch 2016 das beste Geschäftsjahr verzeichen konnte.
“Big Room Events mit Self-Selection sind ein unglaublich effektives Mittel, wir werden dieses weiterhin einsetzen.”
Zwei der x-funktionalen Teams (localsearch intern „Saga" genannt) arbeiteten fortan aufgrund der aktuellen strategischen Ziele sehr eng zusammen und führten nun periodisch erste Big Room Plannings (BRP genannt) inkl. aller Beteiligten (User, Kunden, Product Management, Management, Entwickler, usw.) durch. Dies führte zu einem gemeinsamen Alignment und Commitment.
Quelle: Localsearch, 2017
Nun, war plötzlich allen Beteiligten aus erster Hand klar was die anstehenden Ziele sind. Sich konkurrenzierende Ziele gehörten der Vergangenheit an. Des Weiteren konnten nun auch sehr schnell Entscheide getroffen werden, u.a. um alte Produkte abzulösen, zu vereinfachen, technische Herausforderungen zu lösen, usw. Die BRPs hatten auch eine sehr positive Wirkung auf die soziale Integration aller Beteiligten. Die Sagas und ihre Stakeholder wuchsen mehr und mehr zusammen.
Die Mitarbeiter, welche nicht Teil dieses Pilotprogramms waren verblieben in ihren angestammten Feature-/Component-/Expert-Teams. Der Pilot machte Sinn und war überschaubar und einfach zu managen. Die bestehenden, eher hierarchischen Strukturen und Abläufe wurden aber mehr und mehr zu einer Herausforderung für die empowerten bzw. quasi-autonomen Pilot-Teams.
“Es gibt nicht DAS Framework oder Organisationsmodell, es gilt seinen eigenen Weg zu finden”
Skalierung des erfolgreichen Modells
Ende 2016 gab es bei localsearch weitreichende Änderungen in der Geschäftsleitung und das Pilot-Programm bekam eine neue Dringlichkeit. Aus Vertretern aller Bereichen und Ebenen der Organisation wurde nun ein Transformationsteam gegründet, welches schnellstmöglich die erfolgreichen Elemente kondensieren, ein localsearch-Modell für die Ablauforganisation ableiten und auf weiterführende Organisationsteile anwenden sollte. Die Grundelemente des Modells waren schnell identifiziert, nämlich:
- Saga: x-funktionales, empowertes Team mit einer Mission, welche sich am Value Stream von localsearch orientiert
- Gilde: Community of Practice analoger Expertise, empowert diese gemeinsam weiter zu entwickeln, inkl. Hiring, etc.
Quelle: Localsearch, 2017
Beide Elemente wurden bereits über 12 Monate erfolgreich in der Pilot-Organisation gelebt und liessen sich auch auf eine grössere Organisation skalieren.
Klassische Transformation, nein danke!
Mit dem neuen Management, rückte auch die Linienorganisation in den Fokus und ein organisatorischer Change im klassischen Sinne bahnte sich an. Im Transformationsteam war man sich sehr schnell einig, dass ein klassisches Vorgehen (top-down only) nicht in Frage kam. Dies war in den bereits agilen Organisationsteilen nicht mehr vereinbar mit den vorhandenen Werten. Doch was war die Alternative?-Sowohl das neue Modell, als auch die neuen Strukturen für die Ablauf- bzw. Aufbauorganisation sollten schnellstmöglich umgesetzt werden.
“Ein partizipatives Vorgehen bildet die Basis einer nachhaltigen agilen Transformation und ermöglicht einen schnellen Jumpstart”
Man wählte ein gut schweizerischer Kompromiss, ein top-down/bottom-up Approach. Gewisse Rahmenbedingungen waren top-down gegeben, jedoch wurde der bottom-up Umsetzung ein sehr grosser Spielraum gewährt. Konkret plante das Transformationsteam einem neuen partizipativen Ansatz via Self-Selektion, welcher alle Beteiligten direkt einbeziehen sollte. Man erhoffte sich dadurch eine höhere Akzeptanz und damit eine nachhaltigere Lösung. Zudem war es einfacher und schneller innert 3 Tagen alle Mitarbeiter direkt zu involvieren, so hörten Sie alles aus erster Hand und aufwändige Punkt-zu-Punkt Meetings entfielen.
Partizipative real-time Transformation, aber wie?
Nun wie führt man aber eine partizipative Transformation mit über 100 Personen durch wenn einfach alles ändert (Strategie, Aufbau-/Ablauforganisation)?-Jeder wollte abgeholt werden, sich einbringen und bestenfalls auch direkt mitentscheiden. Im nachhinein kristallisierten sich ein 3-stufiges Vorgehen von 3 tages-Events heraus:
- Tag 1: Challengen des neuen Modells inkl. Ausblick über die strategischen Themen 2017
- Tag 2: Bildung der Gilden-/Saga-Teams via Self-Selektion
- Tag 3: Strategische Ausrichtung der Sagas inkl. bottom-up Commitment
Der Jumpstart der partizipativen agile Transformation dauerte vom Spätherbst im 2016 bis Anfang Februar 2017. Rückblickend könnten die drei Big Room Events ohne Verzögerung durch die Weihnachtsferien auch bedeutend kürzer aufeinander folgen. Die kontinuierliche Verbesserung der Organisation bzw. die agile Transformation selbst dauern bis zum heutigen Tag an.
“Descale first!-Andernfalls werden nur die bisherigen Probleme skaliert”
Learnings
- Organisationen sind oft sehr heterogen und von ihrer Vergangenheit geprägt bspw. was ihre Kultur, Arbeits- und Denkweisen betrifft. Um Dinge ändern zu können muss man all dies Würdigen und ein mögliches Zielbild gemeinsam erschaffen. Ein x-funktionales Transformationsteam mit Vertretern/Leadern aller Bereiche und Hierarchiestufen ist hierfür ein adäquates Mittel.
- Erfahrungen zu sammeln mit Pilotteams und Experimenten helfen interne Hürden zu überwinden und über Erfolge Vertrauen aufzubauen.
- Ein Modell muss einfach sein und sollte sich von bisherigen Strukturen und Rahmenbedingungen befreien dürfen. Descale first - Andernfalls skaliert man nur die aktuellen Probleme!
- Etwas zu riskieren und aus potentiellen Fehlschlägen zu lernen bringt die Organisation weiter, als nichts zu tun. Dies ist nur mit einem buy-in des Top-Managements gewährleistet.
Wie gings weiter?
Im nächsten Blog Post berichten wir über die Vorbereitung und die Durchführung des 1. Partizipativen Events wo mit allen Beteiligten das neue Modell gechallenged bzw. ein Ausblick über die strategischen Themen fürs 2017 gegeben wurde.
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